Romanzo Criminale by Cataldo Giancarlo

Romanzo Criminale by Cataldo Giancarlo

Autor:Cataldo, Giancarlo [Cataldo, Giancarlo]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 3746627974
veröffentlicht: 1999-12-31T23:00:00+00:00


IV.

„Der alten Flamme größres Horn begann / Mit leisem Knistern alsobald zu beben, / Wie Windeshauch sie flackern machen kann, / Als wär’s die Zunge selbst, die Laut will geben, / Wiegt’s hin und her die Spitze, brachte gar / Der Stimme Laut hervor und sagte: „Eben …“

Im Schutz der mächtigen Silhouette seines Kollegen Bulgarelli hatte sich Scialoja zwischen den beiden Türmen durchgeschlängelt. Oben auf dem Minarett, auf das das Licht der Mondsichel fiel, stand Carmelo Bene, dessen Stimme von einer Reihe gewaltiger Lautsprecher verstärkt wurde. Er deklamierte den sechsundzwanzigsten Gesang von Dantes Inferno. Wie eine uralte, düstere Gottheit thronte er über der riesigen Menge.

„Nicht Sohneshuld, nicht Ehrfurcht, die ich zollte / Dem alten Vater, nicht der Liebe Pflicht, / Dran sich Penelope getrösten sollte, / All das bezwang die Glut des Strebens nicht, / Das in mir war, die ganze Welt zu kennen / Und was, so Gut als Bös, da geschieht.

Bulgarelli hatte ihm erklärt, dass das Fest zum Jahrestag des blutigen Anschlags von heftigen Polemiken überschattet würde. Es hatte heftige Proteste gegeben, als zur Demonstration Stop terror now! ausgerufen wurde und, anstatt zu trauern, des Massakers in Form eines Festes gedacht werden sollte. Vielen wäre eine würdevollere Feier lieber gewesen, bei der die jeweiligen Politiker die üblichen pragmatischen Reden gehalten hätten. Die Idee, der Tragödie mit Gesang und Tanz zu gedenken, war vielen als Profanierung erschienen. Die braven Bürger hatten gegen die extravagante Idee gewettert, die Stadt Akrobaten und Musikern zu überlassen. Bulgarelli hatte ihnen erklärt, dass Stop terror now! einen Triumph des Lebens über den Tod darstellte. Es bedeutete: Wir sind noch immer hier, wir leben und wir vergessen nicht. Ganz Bologna war da, eine Flut von Menschen. Der Magier oben auf dem Turm forderte mit seiner Stimme die Trauer heraus.

„Ihr Brüder!“, sprach ich, „habt des Westens Strand / Erreicht mit vielen tausend Leibsgefahren: / Wollt ihr nicht nützen, was am Grabesrand / Den wachen Sinnen noch verbleibt an Jahren …“

Wegen der Gedenkfeier war er ein Jahr danach nach Bologna gefahren. Wegen der Gedenkfeier und aufgrund eines neuen Bewusstseins, das langsam vom ihm Besitz ergriff. Scialoja misstraute allmählich Zufällen. Die Festnahme von Nero war der letzte Coup gewesen. Scialoja wollte nicht so recht daran glauben, dass ein knallharter Profi wie Nero sich wie ein Trottel bei einer Routinekontrolle von einem ängstlichen Polizisten verhaften ließ. Nero machte nur den Mund auf, um die offizielle Version zu bestätigen. Sie haben mich auf der Flucht erwischt, ich hatte eine Waffe, sie waren geschwinder als ich, und jetzt bin ich da. Scialoja glaubte ihm nicht. Die Bombe war von Faschisten gelegt worden. Nero war Faschist. Nero konnte die Bombe nicht gelegt haben, weil er am 2. August 1980 im Gefängnis war. Aber Nero gehörte zu der Organisation, die er und Borgia bekämpften. Zeta und Pigreco beschützten die Organisation. Zeta und Pigreco waren wenige Stunden nach der Explosion auf dem Bahnhof gewesen. Sie beschützten die Organisation im Gegenzug zu anderen Gefälligkeiten. Darauf mussten sie sich konzentrieren. Gefälligkeiten. Aber welche Gefälligkeiten? Wie weit würden sie gehen? Zeta und Pigreco brauchten Leute, die zu allem bereit waren.



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